Voraussetzung für eine szintigraphische Aufnahme ist die Gabe eines sogenannten Radiodiagnostikums. Dabei handelt es sich um einen schwach radioaktiven Marker, der meist an einen sogenannten Tracer gebunden verwendet wird. Zum Einsatz kommen unter anderem radioaktives Thallium, Jod oder Xenon.
Das Radiodiagnostikum wird per Injektion, manchmal auch zum Inhalieren oder Schlucken verabreicht.
Die durch den Marker im Innern des Körpers abgegebene radioaktive Strahlung kann mit einer Gamma-Kamera erfasst werden. Die daraus resultierenden Daten werden von einem Computer zu einer zwei- oder dreidimensionalen Bilddarstellung verarbeitet.
Grundsätzlich verteilt sich der an den Tracer gebundene radioaktive Marker über die Blutgefäße im Körper. Auch eine Verteilung mittels Atemstrom in der Lunge ist möglich. Damit lässt sich die Durchblutung von Körperabschnitten (beziehungsweise die Belüftung der Lunge) visualisieren.
Für die meisten Zielorgane werden spezialisierte Tracer verwendet, die von diesen Organen bevorzugt aufgenommen werden. So etwa
- Phosphat- und Phosphonatverbindungen bei Untersuchungen des Skeletts
- sogenannte Kolloidpartikel aus dem Serumeiweiß Albumin bei Untersuchungen von Leber, Knochenmark und Milz
- der Stoff MIBI (Methoxyisobutyl-Isonitril) für Untersuchungen des Herzens und der Nebenschilddrüse
Reines radioaktives Jod reichert sich nach einiger Zeit in der Schilddrüse an.
Zielorgane für eine Szintigraphie sind etwa
- die Schilddrüse,
- die Lunge,
- das Myokard (Herzmuskel),
- die Knochen,
- die Nieren,
- die Leber,
- die Lymphdrüsen,
- die Speicheldrüse,
- der Magen,
- der Darm oder
- das Gehirn.
Die durchgeführte Szintigraphie wird entsprechend des Zielorgans genannt. Abhängig vom Verfahren und eingesetzten Tracer kann außerdem von
- Perfusions- oder Inhalationsszintigraphie sowie
- Kolloidszintigraphie
die Rede sein. Im Gegensatz zu Röntgenaufnahmen, die in erster Linie statische Strukturen abbilden, können szintigraphische Aufnahmen Aussagen über dynamische Vorgänge im Körper machen. So zum Beispiel:
- Welche Regionen oder Gewebe sind besonders stark oder auffällig wenig durchblutet?
- Welche Regionen zeigen eine erhöhte Stoffwechselaktivität der Zellen (die sich durch verstärkte Aufnahme des radioaktiv markierten Tracers verrät)?
Auf diese Weise lassen sich
diagnostizieren.
Ganzkörper-Szintigraphie einer Patienten (Läsion im Schädel)
Eine Szintigraphie kann meist im Zusammenspiel mit weiteren Untersuchungsverfahren viele diagnostische Fragestellungen aufschlussreich beantworten. Entsprechend vielfältig sind die Einsatzbereiche des Verfahrens. Bei auffälligen Ultraschallbefunden, Tastbefunden und Befunden der Schilddrüsenhormone kann die Schilddrüse getestet werden auf
Bei entsprechendem Verdacht kann eine Knochen- beziehungsweise Skelettszintigraphie
- Tumoren auffinden.
- typische, subtile Knochenverletzungsmuster sichtbar machen, die durch Kindesmisshandlung entstehen („Battered child syndrome“).
Eine Lungenszintigraphie kann den Verdacht auf eine Lungenembolie bestätigen oder entkräften. Es handelt sich dabei um eine Doppeluntersuchung aus Ventilationsszintigraphie und normaler Perfusionsszintigraphie. Dadurch lässt sich die Belüftung und Durchblutung der Lunge gleichermaßen darzustellen.
Eine Nierenszintigraphie kann
- das funktionstüchtige Nierengewebe darstellen. Sie erlaubt eine Beurteilung von Anatomie und Zustand der Niere bei angeborenen oder erworbenen Anomalien.
- die Ausscheidungsfunktion der Niere durch Aufnahmeserien dynamisch darstellen, zum Beispiel bei Nierenversagen oder nach einer Transplantation.
Eine Myokardszintigraphie kann die Durchblutungsverhältnisse am Herzen und die Gesundheit des Herzmuskels abklären. Sie wird durchgeführt
Im Verdauungstrakt kann eine Szintigraphie
- bei Beschwerden die Funktion von Speiseröhre und Magen visualisieren. Hierzu wird das Radiodiagnostikum geschluckt.
- Blutungen von Magen- oder Darmschleimhaut lokalisieren.
Bei unklaren kognitiven Ausfällen, Wahrnehmungs- oder Bewegungsstörungen kann eine Hirnszintigraphie
In der Tumordiagnostik wird die Szintigraphie eingesetzt
- zur Tumorsuche und zum Staging (Beurteilung von Größe und Metastasenbildung).
- zur Kontrolle des Therapieerfolgs.
Eine Szintigraphie wird zumeist ambulant durchgeführt. Abhängig vom Organ, das abgebildet werden soll, erhalten Sie im Vorfeld Anweisungen zu eventuell einzuhaltenden Nahrungsvorschriften. Ihr Arzt wird Sie auch informieren, ob Sie die Einnahme von Medikamenten eventuell für einige Tage aussetzen müssen.
Am Tag der Untersuchung wird das Radiodiagnostikum meist in eine Armvene injiziert. Das ist etwa mit einer Impfung vergleichbar. Für eine Lungenventilations- oder -inhalationsszintigraphie atmen Sie ein gasförmiges Radiodiagnostikum ein. Im Fall einer Speiseröhren- oder Magenszintigraphie schlucken Sie eine Flüssigkeit oder eine Art Brei.
Von der Ausbreitung des Radiodiagnostikums in Ihrem Körper spüren Sie höchstwahrscheinlich nichts. Sehr selten (etwa in einem von 100.000 Fällen) treten Überempfindlichkeitsreaktionen auf einen der eingesetzten Tracer auf. Dann kann es zu Kreislaufbeschwerden kommen.
Bei den meisten szintigraphischen Untersuchungen liegen oder sitzen Sie während der eigentlichen Aufnahmen durch die Gamma-Kamera für 30 bis 60 Minuten ruhig da. Zu einer Myokardszintigraphie gehört in der Regel ein Belastungstest. Dabei müssen Sie auf einem Heimtrainer radeln.
Wichtig für die szintigraphische Diagnostik ist neben der Verwendung des richtigen Tracers der Zeitpunkt der Aufnahmen: Nach Injektion des Radiodiagnostikums ist das Auftauchen des Markers zu bestimmten Zeitpunkten in bestimmten Organen zu erwarten. Im Blut erscheint der Marker zuerst, danach in der Leber und schließlich in der Gallenblase.
Nicht selten sind szintigraphische Untersuchungen daher mit einer recht langen Wartezeit bis zum Beginn der Aufnahmen verbunden. Diese Frist verbringen Sie in der radiologischen Praxis oder Klinik mit einem Zeitvertreib Ihrer Wahl.
Nach abgeschlossener Untersuchung können Sie normalerweise gleich nach Hause gehen. Ihre Fahrtüchtigkeit und Ihr sonstiges Befinden sind durch die Prozedur meist nicht eingeschränkt.
Szintigraphie einer Schilddrüse
Die Szintigraphie ist ein fest etabliertes diagnostisches Verfahren. Dennoch ist die damit verbundene Strahlenauswirkung nicht zu vernachlässigen. Bei Schwangeren und Stillenden werden daher grundsätzlich keine Szintigraphien durchgeführt. Bei Kindern müssen Nutzen und Risiko gut abgewogen werden. Bei Erwachsenen gilt die Szintigraphie als insgesamt risikoarm.
Allerdings berichten Mediziner von erheblichen kumulativen Dosen bei bestimmten Patientengruppen. Die Strahlungsdosen von mehrerer Szintigraphien, aber auch Röntgen und CT summieren sich auf. Insbesondere Herzpatienten und Nierentransplantat-Patienten sind von vielen Untersuchungen betroffen. Manche erhalten über wenige Jahre oft so viele Untersuchungen, dass sich die Strahlenbelastung zu über 100 Millisievert aufrechnete. Das ist ein Wert, der unstrittig das Krebsrisiko erhöht.
Auch hier müssen allerdings Risiko und Nutzen abgewogen werden: Das Versagen eines Nierentransplantats ist unmittelbar lebensbedrohlich. Tumorerkrankungen entwickeln sich zudem meistens sehr langsam. Daher spielt das Krebsrisiko der radiologischen Herzdiagnostik gerade in fortgeschrittenem Lebensalter eine geringere Rolle. Ihr unmittelbarer Nutzen kann dagegen erheblich sein.
Die für die Szintigraphie verwendeten radioaktiven Substanzen sind schwache Strahler mit einer Halbwertzeit von etwa sechs Stunden. Nach dieser Zeit halbiert sich jeweils ihre Strahlungsaktivität. Sie ist also nach einem Tag auf ein Sechzehntel des ursprünglichen Wertes abgefallen und damit kaum mehr nachweisbar.
Die Strahlendosis, der Patienten im Verlauf einer typischen szintigraphischen Untersuchung ausgesetzt sind, ist
- etwa zehnmal höher als beim klassischen Röntgen und
- etwa zehnmal geringer als bei einer Computertomographie.