Im Jahr 2008 sprach der Schauspieler Mel Gibson in der Dokumentation Acting Class of 1977 von seiner Diagnose. Er ist ein gutes Beispiel dafür, dass auch Menschen mit einer psychischen Erkrankung zu großer Leistung fähig sind. Gleichzeitig bedeutet so eine Erkrankung ein besonderes Risiko. Denn die bipolare Störung weist eine erhöhte Selbstmordrate von 15 Prozent auf (hohe Komorbiditätsrate). (Quelle: Deutsches Ärzteblatt; DOI: 10.3238)
Eine bipolare Erkrankung verläuft von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich. Aus diesem Grund lässt sich das Krankheitsbild nicht immer einfach erkennen.
- Personen, die unter schweren Manien leiden, können Psychosen entwickeln, die beispielsweise mit Verfolgungswahn oder Größenwahn einhergehen.
- Betroffene mit einer Bipolar-I-Störung weisen ausgeprägte Depressionen und Manien auf.
- Menschen mit einer Bipolar-II-Störung zeigen ebenfalls einen Wechsel zwischen Depressionen und Manien. Allerdings treten hierbei die Manien schwächer ausgeprägt auf (Hypomanien).
- Eine abgeschwächte Form der bipolaren Störung ist die Zyklothymia. Bei der Zyklothymia hat der Betroffene mindestens zwei Jahre lang starke Stimmungsschwankungen. Sie fallen jedoch schwächer aus, als bei depressiven-manischen Phasen.
- Bei Rapid-cycling-Verläufen wechseln die manischen und depressiven Phasen häufig. In leichteren Fällen erleben die Patienten innerhalb eines Jahres vier depressive oder manische Phasen. Extreme Fälle zeigen tägliche Wechsel von Depression und Manie an mindestens vier Tagen pro Woche.
Symptome einer depressiven Episode
Wie bereits erwähnt, leiden Menschen während einer depressiven Phase an gedrückter Stimmung und vermindertem Antrieb. Außerdem verlieren sie das Interesse an Dingen, die ihnen bisher wichtig waren. Näheres zum Krankheitsbild der Depression finden Sie auf unseren Seiten.
Tritt eine depressive Episode bei einer bipolaren Störung auf, lautet die Diagnose nach dem ICD-10 (Diagnosekatalog der Weltgesundheitsorganisation): F31.3. bipolare affektive Störung gegenwärtig leichte oder mittelgradige depressive Episode ohne psychotische Symptome.
Schwere depressive Episoden erhalten in diesem Zusammenhang den Code F31.4.
Während einer depressiven Phase ist die Stimmung niedergeschlagen @ MP Studio /AdobeStock
Symptome der Manie
Folgende Leitsymptome kennzeichnen manische Phasen:
- Gehobene Stimmung
- Reizbarkeit
- Erhöhter Antrieb
- Vermehrte Aktivität
Ein Beispiel, wie gehobene Stimmung und Reizbarkeit zusammenpassen: Ein Betroffener mit einer akut manischen Phase redet ununterbrochen auf seine Partnerin ein. Er erzählt ihr, dass er seinen Job jetzt endgültig an den Nagel hängen und den Jakobsweg gehen will. Während er redet, sucht er im Internet nach dem passenden Flug. Er ist Feuer und Flamme für diese Idee. Die Freundin erklärt, sie verstehe sein Vorhaben nicht. Er hat noch nie von derartigen Wünschen erzählt. Sie wäre irritiert, wie leichtfertig er seine Arbeitsstelle riskiere. Auf die Einwände reagiert er aufbrausend und stellt die Beziehung infrage.
Zeigt ein Betroffener nur gering ausgeprägte Symptome, sprechen Mediziner von einer hypomanischen Phase.
In extremen Hochphasen (Manie) sind Menschen mit einer Bipolaren Störung überschwänglich, aktiv, reizbar, sprunghaft und unruhig @ LunaLu /AdobeStock
Symptome hypomaner Phasen
Eine hypomane Episode besteht, wenn der Betroffene an mind. vier Tagen in Folge eine ungewöhnlich gereizte oder euphorische Stimmung hat.
Gleichzeitig treten mindestens drei der folgenden Merkmale auf:
- Reduziertes Schlafbedürfnis
- Fahrlässiges bzw. riskantes Verhalten
- Gesteigerte Geselligkeit
- Gesprächigkeit
- Konzentrationsprobleme
- Innere Unruhe
- Aktivitätsdrang
- Gesteigertes sexuelles Verlangen
Während solcher Phasen liegen das Leistungsvermögen und die Kreativität der Betroffenen erheblich über dem normalen Maß. Nicht zwingender Weise sind die Symptome derart stark vorhanden, sodass der Betroffene Ausgrenzung oder den Verlust des Arbeitsplatzes erlebt.
Da bei der manisch-depressiven Erkrankung verschiedene Verlaufsformen existieren, ist die Diagnostik schwierig. Eine Überblicksstudie aus Kanada kommt zu dem Ergebnis, dass durchschnittlich sechs Jahre vergehen, bis ein Patient seine Diagnose erhält.
Warum dauert das so lange? Psychische Erkrankungen, so auch die manisch-depressive Störung, lassen sich bisher nicht einfach durch Laborwerte messen.
Viele Patienten suchen während einer depressiven Phase einen Arzt auf. Geht es ihnen besser, weil sie in eine Hypomanie geraten, brechen sie die Behandlung ab. Sie fühlen sich gut und die Krankheitseinsicht ist kaum vorhanden.
Der andere wichtige Aspekt: Zwischen 70 und 80 Prozent der bipolaren Störungen beginnen mit einer Depression. Hinweise auf eine manisch-depressive Erkrankung liefern spezifische Aspekte.
Der Patient ist:
- Sehr stimmungslabil
- Psychomotorisch gehemmt (z B. Mimik)
- Zeigt psychotische Symptome (Wahnvorstellungen)
- Berichtet über bipolar diagnostizierte Familienmitglieder
Darüber hinaus beginnt die Krankheit in einem frühen Alter und der Verlauf wechselt abrupt.
Etwa ein bis drei Prozent der Menschen leiden im Laufe ihres Lebens unter einer bipolaren Störung. Männer und Frauen sind hiervon gleich häufig betroffen. Die unipolare Depression beispielsweise tritt bei Frauen häufiger auf.
Die Deutsche Gesellschaft für bipolare Störungen berichtet auf der Website, dass manisch-depressive Menschen häufig unter weiteren psychischen Erkrankungen leiden.
Dazu zählen:
Eine bipolare Störung kann grundsätzlich jeden Menschen treffen. Das Erkrankungsrisiko ist individuell und unterschiedlich. In den meisten Fällen bricht die Erkrankung im frühen Erwachsenenalter aus.
Bisher konnte die Medizin noch keine eindeutige Ursache für das Auftreten einer bipolaren Störung feststellen. Daher gehen Experten von einem multifaktoriellen Geschehen aus. Dies bedeutet, dass verschiedene Faktoren in unterschiedlicher Kombination eine bipolare Störung auslösen können. Der Fachbegriff dafür lautet bio-psycho-soziales Modell.
Beispiele für solche Faktoren sind:
- Veränderungen im Hirnstoffwechsel: Die Botenstoffe wie Serotonin, Dopamin und Noradrenalin geraten aus dem Gleichgewicht
- Genetische Faktoren: Nach aktuellem Forschungsstand ist eine bipolare Störung nicht direkt vererbbar, die Anfälligkeit jedoch schon.
- Kritische Lebensereignissen
- Hormonelle Veränderungen (Pubertät, Schwangerschaft, Wechseljahre)
- Umweltfaktoren: Chronischer Stress, traumatische Erlebnisse (plötzlicher Tod eines Angehörigen, Unfall) oder andere einschneidende Erfahrungen kommen als Auslöser infrage.
Personen mit bipolarer Störung erhalten in der Regel eine Psychotherapie. In einigen Fällen kann zusätzlich eine begleitende medikamentöse Unterstützung sinnvoll sein. Die Therapie soll die aktuellen Symptome reduzieren und Rückfälle vorbeugen.
Bei der Behandlung einer manisch-depressiven Erkrankung gelten psychotherapeutische Verfahren wie die Verhaltenstherapie als zentrale Säule. Mit dem Psychotherapeuten werden individuelle Probleme, aber auch die Stärken des Patienten berücksichtigt.
Der Betroffene übt Strategien ein, die ihm im Umgang mit seiner Krankheit helfen. Dies ist auch deshalb sehr wichtig, weil er Selbstvertrauen gewinnt und aktiv an seiner Genesung arbeitet.
In manchen Fällen beziehen Ärzte Angehörige mit ein. Wenn möglich, sollte dies bereits zum Beginn der Therapie geschehen, sofern der Patient hiermit einverstanden ist.
Medikamente kommen bei Manien häufig zum Einsatz. Diese sogenannten Phasen-Stabilisierer (zum Beispiel Lithium) können eine erneute Episode nicht hundertprozentig verhindern. Jedoch reduzieren sie das Rückfallrisiko und mildern mögliche neue Krankheitsschübe. In Kombination mit einer Psychotherapie senkt die Behandlung das Rückfallrisiko enorm.
Die extremen Stimmungsschwankungen sind für Angehörige und nahestehende Personen sehr belastend. Es kann hilfreich sein, wenn Angehörige sich umfassend mit den Auswirkungen und Symptomen einer bipolaren Störung auseinandersetzen. So können sie das Verhalten des Betroffenen richtig einordnen und ein besseres Verständnis für den Kranken entwickeln.
Ein ständiger Drahtseilakt
Wollen Angehörige dem Patienten während einer akuten Krankheitsphase beistehen, brauchen sie Aufmerksamkeit und Gelassenheit. Sie befinden sich in einem stetigen Balanceakt zwischen Abgrenzung und Zuwendung. Einerseits gilt es, Mitgefühl für den Betroffenen zu zeigen. Gleichzeitig müssen Familienmitglieder darauf achten, sich nicht zu verausgaben oder ihr eigenes Leben zu vernachlässigen. Eine große Herausforderung!
Selbsthilfegruppe für Angehörige
Für Angehörige kann es sinnvoll sein, einer Selbsthilfegruppe für Angehörige beizutreten. Dort können sie sich mit anderen austauschen und erhalten Unterstützung. So fühlen sie sich verstanden und weniger allein.
Wie für alle einschneidenden Erkrankungen existieren für Betroffene selbst regionale Selbsthilfegruppen und Internetforen. Die Deutsche Gesellschaft für bipolare Störungen unterstützt auch Mitarbeiter des Gesundheitswesens mit bipolarer Störung mit speziellen Services. Gerade für diese Berufsgruppen (allen voran Ärzte, Pflegepersonal und Psychotherapeuten) stellt die Diagnose eine große Herausforderung dar.
Eine bipolare Störung bedeutet für Betroffene und ihr Umfeld eine enorme Herausforderung. Der positive Aspekt: Es existieren verschiedene therapeutische und unterstützende Angebote, die die Lebensqualität aller verbessern.