Essstörungen zählen zur Gruppe der psychosomatischen Erkrankungen. Sie gehen häufig mit ernsthaften und langfristigen Gesundheitsschäden einher. Sie steht in Zusammenhang mit psychosozialen Beeinträchtigungen und einer gestörten Einstellung zum eigenen Körper.
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Welche Symptome sind typisch für Essstörungen?
Beeinträchtigungen im Essverhalten können sich durch unterschiedliche Anzeichen äußern. Für die meisten Menschen ist das Essen ein ganz normaler, alltäglicher Vorgang, um den Hunger zu stillen.
Von Essstörungen Betroffene dagegen beschäftigen sich gedanklich ständig mit diesem Thema. Sie verbinden mit dem Essen zwanghafte Verhaltensweisen.
Je nach Symptome lassen sich drei Hauptformen von Essstörungen unterscheiden:
- Magersucht
- Bulimie und
- Binge-Eating-Syndrom
Das wichtigste Merkmal der Magersucht (Anorexia nervosa) ist ein krankhaftes Bedürfnis, das Gewicht zu verringern. Betroffene verspüren eine nahezu panische Angst vor Gewichtszunahme.
Deshalb versuchen sie, dem Körper so wenig Nahrung wie möglich zu geben. Außerdem achten sie darauf, dass die Nahrung kaum Kalorien enthält. Viele Patienten strengen sich zudem körperlich häufig und intensiv an, um ihren Energieverbrauch zu steigern.
Mit der Magersucht geht eine Körperschema-Störung einher. Dies führt dazu, dass sich Betroffene sogar mit extremem Untergewicht noch als zu dick empfinden.
Bulimie zählt zu den Essstörungen @ Monkey Business /AdobeStock
Bei der Ess-Brech-Sucht (Bulimia nervosa) wiederum verfügen betroffene Personen meist über ein normales Gewicht, neigen aber zu Gewichtsschwankungen.
Ein wesentliches Merkmal sind Essattacken und anschließendes Erbrechen. Außerdem greifen Patienten mit Essstörungen häufig unkontrolliert zu Abführmitteln.
Bei der Binge-Eating-Störung (Essattacken mit Kontrollverlust) leiden Patienten an Essattacken, die immer wieder auftreten. Bei dieser Verhaltensstörung verzichten die Betroffenen jedoch auf gewichtsreduzierende Maßnahmen.
Sie verlieren das Gefühl für Sättigung und die Kontrolle über ihre Nahrungsaufnahme. Auch wenn die Essattacken nur von kurzer Dauer sind, kann deren Häufigkeit zu Fettleibigkeit, Adipositas, führen.
Darüber hinaus können Mischformen von Essstörungen auftreten. Dann weisen Betroffene Merkmale unterschiedlicher Krankheitsbilder auf.
Die Bezeichnung hierfür lautet beispielsweise:
- atypische Bulimie oder
- atypische Magersucht
Eine weitere Essstörung ist das Pica-Syndrom. Es kommt bei Patienten mit Entwicklungsstörungen, geistigen Behinderungen oder Demenz vor. Diese Menschen nehmen nicht-essbare Dinge zu sich, wie etwa Erde, Papierschnipsel oder Kot.
Wie viele Menschen leiden an einer Essstörung?
Eine aktuelle Studie aus den USA zeigt, dass in einem Jahr 0,1 Prozent der 8 und 15 Jährigen an einer Essstörung erkranken.
Diese Zahl mag gering erscheinen. Da Essstörungen mit erheblichem Leidensdruck und schweren gesundheitlichen Folgen verbunden sind, dürfen wir die Krankheit trotzdem nicht unterschätzen.
Wie erfolgt die Diagnose bei Essstörungen?
Der Arzt stellt die Diagnose nach der Anamnese und der körperlichen Untersuchung der Patienten.
Unter- und Übergewicht sowie Adipositas bewertet er nach dem Body-Mass-Index (BMI). Der BMI gibt die Relation zwischen Körpergewicht und Körpergröße eines Menschen an.
Im Fall einer Magersucht liegt das Körpergewicht mindestens 15 % unter dem Normalgewicht. Bei Mädchen oder Frauen bleibt häufig die Menstruation aus, es kann zu Haarausfall und Zahnschäden kommen.
Darüber hinaus sind Herz- und Kreislaufstörungen, Nierenerkrankungen und Magen-Darm-Erkrankungen möglich. Die Bulimie muss für eine definitive Diagnose seit mindestens drei Monaten bestehen und mindestens zwei Mal pro Woche auftreten.
Für die Binge-Eating-Störung sind auf jeden Fall drei der folgenden fünf Merkmale erforderlich:
- Essen ohne Hungergefühl
- übermäßig schnelles Essen
- Essen bis zum Eintreten eines Völlegefühls
- aus Schuldgefühlen alleine essen
- Emotionen wie Depressionen, Ekel oder Scham nach den Essanfällen
Der Münchener Verein ANAD e.V. Versorgungszentrum Essstörungen bietet einen Test zur Selbsteinschätzung des Essverhaltens. Bitte beachten Sie: Ein Selbsttest gibt Ihnen eine grobe Orientierung. Er kann in keinem Fall einen Arztbesuch ersetzen.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Die Therapie der Essstörungen basiert auf den beiden Säulen:
- Psychotherapie und
- Ernährungstherapie
Sie kann sowohl ambulant als auch stationär erfolgen. In besonders schweren Fällen besteht die Möglichkeit einer längerfristigen Behandlung in therapeutischen Wohngruppen.
Hauptziele der Therapie:
- Erlernen eines normalen Essverhaltens
- Stabilisierung des Körpergewichts
- Wiederherstellung eines positiven Körperbildes
- Entwicklung eines normalen Hunger- und Sättigungsgefühls
- Wiedererlangen von Freude und Genuss am Essen
Im Rahmen der Psychotherapie steht die Behandlung der Symptome des abnormalen Essverhaltens im Vordergrund. Dazu zählen in erster Linie Hungern, Erbrechen, Essattacken sowie mangelndes Selbstwertgefühl.
Soweit wie möglich sollen Therapeut und Patient die Ursachen für das gestörte Verhalten finden und das psychische Gleichgewicht wiederherstellen.
Psychotherapeutie hilft bei der Aufarbeitung von psychischen und sozialen Hintergründe @ WavebreakmediaMicro /AdobeStock
Zum Einsatz kommt neben der kognitiven Verhaltenstherapie auch die systemische Familientherapie. Betroffene sind dadurch in der Lage, selbst Verantwortung für ihr Essverhalten und ihr Körpergewicht zu übernehmen.
Die familienorientierte Behandlung ist vor allem für Jugendliche geeignet, die noch im Elternhaus leben. Hierbei ist es hilfreich, die gesamte Familie in die Lösung der durch die Essstörung verursachten Probleme einzubeziehen.
Die Ernährungstherapie hat zum Ziel, Betroffene über die Symptome und Folgen des gestörten Essverhaltens aufzuklären.
Darüber hinaus vermitteln Experten Kenntnisse über:
- eine geordnete Struktur der Mahlzeiten
- optimale Portionsgröße und
- gesunde Lebensmittel
Ambulante Therapie
Die ambulante Behandlung erfolgt mehrmals pro Woche bei einem niedergelassenen Psychotherapeuten.
Folgende Bedingungen sollten erfüllt sein:
- der BMI liegt über 15
- regelmäßige Gewichtszunahme bei Untergewicht
- keine beträchtlichen bulimischen Symptome (beispielsweise drastische Essanfälle, häufiges Erbrechen, starker Missbrauch von Abführmitteln)
- Einsicht und Motivation zur Veränderung des Essverhaltens erkennbar
- keine Suizidgefahr
- intaktes soziales Umfeld
Regionale Selbsthilfegruppen bieten zusätzliche Unterstützung für Betroffene. Achten Sie unbedingt darauf, dass eine geeignete Person die Treffen moderiert.
Qualifizierte Gruppenleiter können Betroffene sein, die sich intensiv mit ihrer Krankheit auseinandergesetzt haben und stabil sind. Außerdem existieren professionell begleitete Gruppen. Diese leiten Sozialpädagogen oder Psychotherapeuten.
Stationäre Therapie
Die stationäre Behandlung ist bei sehr schweren sowie besonders langen Essstörungen indiziert und kommt unter folgenden Bedingungen in Betracht:
- der BMI liegt unter 15
- schneller Gewichtsverlust, der zudem länger anhält
- beträchtliche bulimische Symptome (beispielsweise drastische Essanfälle und häufiges Erbrechen, starker Missbrauch von Abführmitteln)
- Suizidgefahr
- kein intaktes soziales Umfeld
- erfolglos gebliebene ambulante Therapie
Für Patienten mit Magersucht ist eine stationäre Behandlung häufig notwendig, da die Gewichtsabnahme mit einem erhöhten Sterberisiko verbunden ist.
Digitale Technik in der Therapie
Namhafte Experten aus der Wissenschaft haben sich in der Deutschen Gesellschaft für Essstörungen (DGESS e.V.) zusammengeschlossen. Sie erforschen unter anderem internetbasierte Therapieangebote.
Diese dienen unter anderem zur Nachsorge nach einem stationären Aufenthalt. Auf der Website des Vereins finden Sie Informationen zum aktuellen Stand der Forschung.
Prognose und Heilungsverlauf bei Essstörungen
Vor allem für jüngere Patienten besteht bei frühzeitigem Therapiebeginn eine gute Chance auf Heilung. Sollten Sie oder ein Mitglied Ihrer Familie eine Essstörung haben, ist es wichtig, möglichst schnell ärztlichen Rat zu suchen.
Je früher die Behandlung beginnt, desto besser normalisiert sich das Gewicht und die Betroffenen erhalten wieder eine normale Lebenserwartung.
In einigen Fällen bleiben die Essstörungen jedoch auch unter Behandlung chronisch oder es kommt zu Rückfällen.
Die Aussichten auf Heilung sinken mit:
- Beginn der Erkrankung vor dem 11. Lebensjahr
- niedrigem Ausgangsgewicht und
- langer Dauer der Essstörung
Vor allem Patienten mit Magersucht sind von Austrocknung oder akutem Organversagen mit Todesfolgen bedroht.
Daher sollten Angehörige die Anzeichen für Essstörungen zu einem möglichst frühen Zeitpunkt wahrnehmen und entsprechende Therapiemaßnahmen einleiten.
Quellen
- Spitzer, N. (2016): Perfektionismus und seine vielfältigen psychischen Folgen: Ein Leitfaden für Psychotherapie und Beratung. Springer-Verlag.
- Jacob, G. und Melchers, F. (2017): Ratgeber Schematherapie: Eigene Verhaltensmuster erkennen und verändern. Reihe „Fortschritte der Psychotherapie. Hogrefe-Verlag.
- Sipos, V. & Schweiger, U. (2016): Therapie der Essstörung durch Emotionsregulation. 2.Auflage. Kohlhammer-Verlag.
- Jacobi et. al. (2016): Anorexia und Bulimia nervosa: Ein kognitiv-verhaltenstherapeutisches Behandlungsprogramm. BELTZ-Verlag.