Kinderneurologen und Informationen über Kinderneurologie

Die Neurologie ist ein wichtiges Teilgebiet der Medizin. Das menschliche Nervensystem ist äußerst komplex. Störungen können sich vielfältig äußern. Die Kinderneurologie beschäftigt sich ausschließlich mit dem kindlichen Nervensystem und Nervenerkrankungen. Im Fokus stehen die körperliche und geistige Entwicklung von Babys, Kindern und Jugendlichen sowie mögliche Störungen im Nervensystem.

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Kinderneurologie - Weitere Informationen

Kinderneurologen sind Spezialisten für das kindliche Nervensystem

Kinderneurologen, die korrekterweise Neuropädiater heißen, sind spezialisiert auf neurologische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen. Die Weiterbildung dauert drei Jahre und schließt an die fünfjährige Weiterbildung zum Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin an.

In der Weiterbildung zum Neuropädiater lernen Mediziner:

  • Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten von Erkrankungen des zentralen, peripheren und vegetativen Nervensystems sowie 
  • der Muskulatur im Kindes- und Jugendalter

Ein wichtiger Teil der Neuropädiatrie ist die Entwicklungsneurologie.

Neurologische Entwicklungsstörungen können folgende Bereiche betreffen:

  • Sprache
  • Soziale Interaktion
  • Gedächtnis oder
  • Wahrnehmung
  • Lernbehinderungen wie Legasthenie oder Dyskalkulie
  • intellektuelle Behinderungen sowie
  • ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung)

ADHS bei Kindern2 bis 6 Prozent der Kinder und Jugendlichen leiden unter krankhaften Störungen der Aufmerksamkeit und an motorischer Unruhe (ADHS) @ Photographee.eu /AdobeStock

Mit verschiedenen Diagnoseverfahren kann der Kinderneurologe die körperliche und geistige Entwicklung des Kindes beurteilen. Er kann außerdem, falls nötig, ein Behandlungskonzept erstellen, um die Entwicklung zu fördern.

Ein weiteres relevantes Teilgebiet bei Kindern sind Bewegungsstörungen. Meist haben sie ihren Ursprung im motorischen Nervensystem. 

Bei zerebralen Bewegungsstörungen hingegen liegt meist eine angeborene oder erworbene Schädigung des Gehirns vor. Besonders häufig betroffen sind frühgeborene Kinder.

Ebenso befassen sich Kinderneurologen mit Anfallsleiden. Dabei beurteilt der Kinderneurologe akute Krampfanfälle und chronische Anfallskrankheiten wie Epilepsie.

Epilepsie bei KindernBei Kindern beginnt eine Epilepsie meist im Alter zwischen 5 und 8 Jahre @ mjowra /AdobeStock

Häufige Erkrankungen, die ein Kinderneurologe behandelt

Sobald der Verdacht besteht, dass eine neurologische Störung die Beschwerden verursacht, überweist der Arzt das Kind an einen Kinderneurologen.

Neuropädiater sind Experten für folgende Erkrankungen und Störungen:

  • Erkrankungen und Schäden des Nervensystems aufgrund einer Entzündung (Fazialisparese/Gesichtslähmung), einer Verletzung (Nervendurchtrennungen, Schädel-Hirn-Trauma) oder einer Vergiftung (Medikamente, Schwermetalle, Lösungsmittel)
  • Angeborene Fehlbildungen des zentralen Nervensystems: Erweiterung der Flüssigkeitsräume des Gehirns (Hydrozephalus), Dandy-Walker-Zyste, offener Rücken (Spina bifida) oder Meningomyelozele, Kopfform Auffälligkeiten

  • Störungen der Motorik und der Sinnesfunktionen: Hör- und Sehstörungen

  • Zerebrale (vom Gehirn ausgehende) Anfälle und Epilepsien

  • Neuromuskuläre Erkrankungen und Muskelerkrankungen: Friedreich-Ataxie, Multiple Sklerose, Myelitis, Muskelatrophie, Myasthenie, Muskeldystrophie

  • Durchblutungsstörungen des Gehirns: Schlaganfall, Thrombosen und Gefäßfehlbildungen

  • Neurometabolische: Diabetes mellitus und chronischer Nierenerkrankung Neurodegenerative und neurogenetische Erkrankungen

  • Bewegungsstörungen und Zerebralparesen: Lähmungen

  • Mentale, motorische, sprachliche und psychische Entwicklungsstörungen und Behinderungen: Autismus-Spektrum-Störungen

  • Tumoren des Nervensystems: Medulloblastom, Glioblastom

  • Kopfschmerzen, neuropathische Schmerzen (Nervenschmerzen) und Schwindel

Muskelatrophie bei KindernDie spinale Muskelatrophie Typ 1 ist eine angeborene neurologische Erkrankung mit schwerer Muskelschwäche und Muskelschwund @ Satjawat /AdobeStock

Diagnosemethoden in der Kinderneurologie

Zuerst erfolgt die Patientenbefragung (Anamnese), die Verhaltensbeobachtung und die körperliche Untersuchung (Reflexe, Motorik und Sensibilität). 

Danach stehen dem Kinderneurologen verschiedene Verfahren zur Diagnosestellung zur Verfügung.

Laboruntersuchungen von Blut und Liquor (Nervenwasser) können Hinweise auf krankhafte Veränderungen geben.

Ein wichtiges neurologisches Diagnoseverfahren ist das Elektroenzephalogramm (EEG). Bei dieser Untersuchungsmethode messen spezielle Sonden die elektrische Aktivität des Gehirns. Das EEG kommt beispielsweise in der Epilepsiediagnostik zum Einsatz.

Mithilfe der Elektroneurographie lassen sich periphere Nerven untersuchen. Die Nervenleitgeschwindigkeit und die Elektromyographie zeigen die elektrische Muskelaktivität bei Muskelerkrankungen an.

Die Ultraschalluntersuchung von Muskeln, Gehirn und peripheren Nerven kann ebenfalls Hinweise auf eine mögliche Ursache der Beschwerden liefern. 

Weitere bildgebende Verfahren, die in Zusammenarbeit mit einem Radiologen zum Einsatz kommen, sind:

Je nach Verdachtsdiagnose bzw. Erkrankung erfolgen weitere diagnostische Methoden, wie:

  • augenärztliche Verfahren
  • HNO-ärztliche Verfahren
  • histologische (feingewebliche) Verfahren
  • endokrinologische (Hormonbestimmungen etc.)
  • molekulargenetische Verfahren
  • orthopädische oder
  • psychologische Verfahren

Behandlungsmethoden der Neuropädiatrie

So vielfältig die Erkrankungen in der Neuropädiatrie sind, so verschieden sind auch die therapeutischen Möglichkeiten. So richtet sich die Therapie vor allem nach der Ursache der Beschwerden.

Da Erkrankungen des Nervensystems häufig ein sehr komplexes Krankheitsbild sind, erfolgt die Versorgung der Erkrankungen interdisziplinär. 

So können beispielsweise pädiatrische Endokrinologen, Neurochirurgen, Orthopäden oder Verhaltenstherapeuten an der Behandlung des Kindes beteiligt sein.

In jedem Fall erstellt der Kinderneurologe, in Abstimmung mit Kollegen anderer Fachgebiete, ein individuell auf den Patienten abgestimmtes Behandlungskonzept.

Bei einer Entwicklungsstörung kann der Arzt zum Beispiel auf verschiedene Fördermöglichkeiten zurückgreifen. Er kann eine Sprachförderung verordnen oder den Patienten zur Krankengymnastik oder Ergotherapie überweisen.

Ein Bub macht KrankengymnastikEin Bub macht Krankengymnastik @ phoenix021 /AdobeStock

Auch Bewegungsstörungen erfordern in der Regel eine interdisziplinäre Betreuung von Neuropädiatern, Ergotherapeuten, Logopäden und Physiotherapeuten.

Kinder, die unter Krampfanfällen leiden, erhalten in der Regel Medikamente. Je nach Ausprägung kann eine Operation erforderlich sein.

Quellen

  • Bundesärztekammer (2013) (Muster-)Weiterbildungsordnung 2003 in der Fassung vom 28.06.2013. https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/20130628-MWBO_V6.pdf
  • Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie, Gesellschaft für Neuropädiatrie (2016) Leitsymptome und Diagnostik der ZNS-Tumoren im Kindes- und Jugendalter. S1-Leitlinie. AWMF-Register-Nr.025/022. https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/025-022l_S1_ZNS-Tumoren_Kinder_Jugendliche_2016-09.pdf
  • Gesellschaft für Neuropädiatrie et al. (2015) Hereditäre und erworbene Neuropathien im Kindes- und Jugendalter, Differentialdiagnose. AWMF-Register-Nr. 022-027. https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/022-027l_S1_Neuropathien_hereditaer_erworben_Kinder_Jugendliche_Differentialdiagnose_2015-04.pdf
  • Heinen F., Berweck S. (2019) Neurologische Untersuchung bei Kindern und Jugendlichen. In: Hoffmann G., Lentze M., Spranger J., Zepp F., Berner R. (eds) Pädiatrie. Springer Reference Medizin. Springer, Berlin
  • Kaindl A., Boltshauser E., Schwabe G.C., Bächli H. (2019) Entwicklungsstörungen des Nervensystems. In: Hoffmann G., Lentze M., Spranger J., Zepp F., Berner R. (eds) Pädiatrie. Springer Reference Medizin. Springer, Berlin
  • Moog U., Blank R. (2019) Entwicklungsstörungen und Behinderungen. In: Hoffmann G., Lentze M., Spranger J., Zepp F., Berner R. (eds) Pädiatrie. Springer Reference Medizin. Springer, Berlin
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